Rückblick: Gefiedertes am Weserstrand

Bericht von der Wochenend-Exkursion im Weserbergland vom 28.02. – 02.03.2014

Der Schaffner der Nordwestbahn wirkt gestresst, als sich die sieben Vollbepackten mit ihren sieben Fahrrädern einer nach dem anderen in seinen Abteil ergießen. Für eine DJN-Expedition werden die logistischen Kapazitäten der Bahn optimal ausgeschöpft. Nahrungsmittel, Schlafzeug, Beobachtungsinstrumentarium und wissenschaftliche Literatur werden auf klimafreundlichem Wege zu ihrem Bestimmungsort gebracht – eine Klampfe darf natürlich auch nicht fehlen.

Mit soviel Trubel hat er im Bahnhof Ottbergen nicht gerechnet.
„Jetzt machen Sie doch mal Platz!“ versucht er sie beim rangieren anzutreiben. Zügig muss es zugehen beim Einsteigen. Jawohl! Ihm müssen wohl schon die zu jener Zeit umtriebigen Karnevallsgesellschaften den letzten Nerv geraubt haben. „Die Fahrscheine bitte. Sie haben aber acht Fahrräder hier!”
Mit diplomatischem Geschick kann die Gruppe den Mann in Uniform schnell aufklären: Es sind neun Fahrräder. Jedoch standen zwei davon schon vorher im Abteil. Fahrradkarten für die sieben Räder sind durchaus vorhanden. Der Schaffner geht.
Es stellt sich heraus, dass die beiden übrigen Räder dem Organisator der DJN-Exkursion zuzuordnen sind, der von den Zugestiegenen freudig begrüßt wird. Heitere Urlaubsstimmung begleitet die Gruppe im Zug bis nach Höxter und dann auf dem Fahrrad in ein nahegelegenes Wäldchen. Das dort befindliche Wandervogel-Landheim bietet weder fließend Wasser noch Strom, dafür aber eine urig-gemütliche Atmosphäre im Kerzenlicht, Platz für zwölf Personen und einen Holzofenherd, den die Gruppe zunächst noch kalt lässt.

Das Wetter ist schön genug um gleich wieder aufzusatteln. Die Fahrt führt bis zu einem Baggersee nördlich von Lüchtringen. Ein paar Rebhühner flattern aufgeschreckt über die Landschaft. Die aufgebauten Spektive erfassen die Hühnervögel, Haubentaucher und andere Gefiederte. Gerüchte über einen Rothalstaucher gehen um. Eine große Schar Sturmmöwen fliegt über das Wasser. Die Vogelkundler sind erfreut. Die Abenddämmerung und der langsam aufkommende Hunger treiben die Naturbeobachter zur Heimkehr.
Die Hütte wird hergerichtet, Ofen und Herd in Betrieb genommmen. Gitarre und Gesang begleiten das geschäftige Treiben, besänftigen die hungrigen Gemüter und begrüßen die peu a peu eintreffenden Nachzügler. Die Herdplatte wird nur sehr langsam heiß. Dafür weiß die Köchin nun, dass Reis nicht kochen muss, um gar zu werden. Rechtzeitig zum Restessen trifft der letzte der zwölf Expeditionsteilnehmer_innen ein. Auch die Kapazitäten des Wandervogel-Landheimes werden nun voll ausgeschöpft. Doch bei all der ausgefeilten Planung darf die Spontanität nicht zu kurz kommen.
Spontania für alle! Bis die Müdigkeit siegt.

Im fahlen Mondschein, nahe der Hütte ertönt der Ruf eines Waldkauzes. Die Vogelkundler haben sich längst in ihr Nest aus Schlafsäcken zurückgezogen. Unbeobachtet verbringt der Kauz seine Nacht mit der Jagd und der Balz um seine Geliebte. Müde fliegt er zurück zu seinem Lieblings-Schlafbaum, als das Licht der Dämmerung die ersten aus ihren wärmenden Schlafsäcken kriechen lässt.
Das morgendliche Konzert des Vogelchores ist wie immer kostenlos und heute besser besucht als sonst. Einige Naturbeobachter ergötzen sich an den vielfältigen Stimmen und belauschen den Wald auf bekannte Sänger. Als sie wieder die Hütte betreten, sind Ofen und Herd schon in Gang gebracht worden. Die ausgekühlte Hütte wärmt sich langsam wieder auf und der Tee ist endlich heiß, als der Frühstückstisch wieder abgedeckt wird. Radwanderlust macht sich breit. Der Tag wartet auf zwölf ausgeschlafene Naturbeobachter.

Auf dem Fahrrad geht es die Weser rauf und runter. Zunächst entlang der Kiesseen begegnen ihnen Stockenten, Nilgänse, Graugänse, Gänsesäger, viele Komorane und Schwäne. Ein Kleinspecht soll in der Nähe sein Revier haben. Statt des Kleinspechts geben sich Birken- und Erlenzeisig sowie Kleiber zu erkennen. Nach einiger Warte- und Beoachtungszeit macht sich die Gruppe wieder auf den Weg. Dann fliegt doch einige Meter weiter ein Kleinspecht über den Weg und die Ferngläser werden wieder gezückt.
Der Wind ist kühl, doch die Sonne hält dem entgegen. Ein Tümpel auf einer großen Wiese erregt die Aufmerksamkeit der Gruppe. Schnell wird der erste Teichmolch aus dem Wasser gefischt, Schnecken und Wasserpflanzen bestimmt. Etwas abseits fliegen plötzlich vier Bekassinen auf.
Die nächste Station ist der Ziegenberg. Längst weiden keine Ziegen mehr und ein Wäldchen hat sich auf ihm breitgemacht – dies schützt vor Wind. Der Fußmarsch nach oben ist eine willkommene Abwechslung zum Radfahren. Neben den vertrockneten Orchideen des letzten Jahres reckt der Seidelbast seine Blüten ins Licht. Leberblümchen zieren den Wegesrand. Auf dem Gipfel gibts Schokolade, Kekse, eine ergonomische Holzbank und eine gute Aussicht auf den bisher zurückgelegten, sowie den kommenden Weg.
Das Revier eines Uhus soll die letzte Station vor der Heimkehr werden. Eine kleinere Radtour trennt die Gruppe von der zerklüfteten, roten Felswand, die der große Vogel behaust. Leider kein Glück: Der Uhu lässt sich nicht blicken. Die allmählich einsetzende Dämmerung und eine leere Kekspackung erinnern an die Heimfahrt.

Kurz vor der Hütte teilt sich die Gruppe. Einige bereiten schon mal das Essen vor. Die Übrigen fahren weiter zum Baggersee des Vortages um noch einmal Ausschau zu halten. Und tatsächich: In der Idylle des abendlichen Baggersees zeigt sich der Rothalstaucher. Die Vogelkundler frohlocken. Doch auch ein Anwohner ist an diesem Abend zum Teich spaziert um sein Hobby auszuleben: Der Elektromotor eines kleinen Plastikbootes heult auf. Sausend vertreibt das Boot sowohl lauschige Athmosphäre, wie geräuschempfindliche Teichbewohner und auch die Naturbeobachter haben sich bald an dem kreischenden Plastikflitzer sattgesehen. Oder besser hungrig-gesehen?
Die Kochtruppe schnippelt schon fleißig Möhren, Steckrüben, Kartoffeln und weitere Suppenzutaten, als die anderen wiederkehren und vom Rothalstaucher wie von dem Jungen mit seinem Spielzeugboot berichten, aber auch von Kauzrufen, die im Wald zu hören waren.
Bei Suppe mit Brot beschließt die Gemeinschaft, nach dem Essen noch einmal in die Nacht zu gehen – Käuzchen gucken und hören.

Zwölf Naturbeobachter stehen im Mondschein und lauschen in die Nacht.
„Uuuhhh“, heult ein Käuzchen.
„Das ist das Männchen“, flüstert einer erklärend, „horch!“
„Quieet“, pfeift seine Angebetete quietschend und hell.
„Uuhhhuu.“
„Da war es wieder!“

Die zwölf Naturbeobachter verfolgen das Geräusch mit den Ohren. Einer sogar mit dem Finger.
„Uuuhh.“
In leisem, aufgeregtem Getuschel versuchen die Naturbeobachter, die sich verändernden Positionen beider Vögel auszumachen.
„Uuuhh“… „Quiet“…
Faszinierte Gesichter werden vom Mond und dem eigenen Lächeln erhellt.
Langsam entfernen sich die Vögel von der Hütte. Ob sie wohl nach einem Brutplatz Ausschau halten?

Am nächsten Morgen lauschen manche schon sehr früh dem Vogelstimmen-Konzert. In der nächsten Umgebung singen Meisen, Baumläufer, verschiedene Drosseln und Finken um die Wette. Dann wird noch einmal ausgiebig gefrühstückt, bevor die Hütte wieder aufgeräumt und alles verstaut wird. Die Asche wird aus dem Ofen gekehrt, der Korb mit dem Feuerholz aufgefüllt, Fensterläden und Türen verschlossen.
Während die meisten gleich zum Bahnhof aufbrechen und den Heimweg antreten, fährt eine kleinere Gruppe noch ein Stück an der Weser entlang und genießt das frühlingshafte Wetter. Der Weg schlängelt sich am Fluss entlang durch kleine Waldstücke, Wiesen und Felder und ab und an eine menschliche Ansiedlung. Noch ein paar kurze Beobachtungspausen bereichern den Vormittag, bevor auch die letzten in den Zug steigen.

Text: Roman, Foto: Nele

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