Das war die Wendlandtour 2010

Rückblick: Wendlandtour

19. Juli bis 27. Juli 2010

Mit einer kleinen, aber sehr feinen Gruppe ging es diesen Sommer los, das wundersame Wendland zu erforschen und genießen. Mit vollgepackten Fahrrädern starteten wir vom Bahnhof Wittenberge, wo uns auch gleich ein Rotmilan direkt über der Stadt begrüßte. Mit Currywurst im Bauch und leckeren Dingen in der Fahrradtasche ging’s auf die andre Elbseite zum storchenreichsten Dorf Sachsen- Anhalts: Wahrenberg. Der Anblick von gut gefüllten Storchennestern auf fast jedem Haus oder altem Strommasten war eine wunderbare Einstimmung in die Artenvielfalt und Fülle dieser Region. Bei der kleinsten Stadt Niedersachsens Schnackenburg, die eher einem wunderhübschen Dörfchen gleicht, setzten wir wieder in der Abendsonne über – der Fährmann kam gleich, als wir uns am Ufer zeigten. In der Nähe von Lenzen, am hinteren Ende des Rudower Sees schlugen wir – müde von allem – unsere Zelte das erste Mal auf – direkt am See, genau da, wo die Mückenpopulation in der Abenddämmerung die höchste Dichte erreichte.

Am nächsten Tag wurde die Artenliste exponentiell verlängert: Hosen-Biene, Seeadler, Gelbbauchunke, Austernfischer, Elb-Spitzklette, Schwalbenschwanz, Waldwasserläufer, Kiebitze und viele andere schöne Lebendigkeiten mehr. Dabei bekamen wir eine sehr interessante Führung durch die Kernzone des Biosphärenreservats Niedersächsische Elbtalaue, einer Fläche bei Lenzen, wo der Elbedeich wieder einige Kilometer ins Inland zurückverlegt wurde. Hier kann die Flussaue nun wieder zu einem nur vom Fluss geprägten und dynamischen Lebensbereich für all die Arten werden, die dann – dort endlich mal entdeckt – auf unserer Besondere-Arten-Liste landen. Ein Eis in der brütenden Hitze und eine große Wassermelone ließen uns auch wieder fähig werden des Abends wieder zum Campingplatz und dem See zurückzukehren.

Das nächste Ziel war Gartow, auf der Westseite, wo Seeadler und Biber lockten. Der Nachmittag wurde zu einem Badetag am Elbestrand bei Pevestorf erklärt, mit Musik, leckerem Essen und Besuch bei Meister Bockarts Wohnung – direkt neben dem Anleger. Leider war er wohl gerade eine Runde schwimmen, so dass wir nur seine Pfotenabdrücke, Schleif-, Nage- und Futterspuren und seinen imposanten Biberbau sehen konnten.

Die Nacht am Gartower See wurde sehr kurz, denn früh um fünf (wer was sehen will, muss leiden) trafen wir uns mit Hans-Jürgen Kelm von der Avifaunistischen Arbeitsgemeinschaft Lüchow-Dannenberg. In der Morgendämmerung endeckten wir Kraniche, hörten Hohltauben, sahen einen Pirol und beobachteten wie eine Rohrweihe nahe einem zu DDR-Zeiten verschwundenen Dorf ihr großes Junges fütterte und hörten wir uns spannende Geschichten an.

Nach einer großen Kanne Kaffee von unseren freundlichen Gastgebern, bei denen wir im Garten zelteten ging es wieder weiter, zurück auf die andere Elbseite – in den »Osten«. Dort sahen wir sie endlich – die Schwarzstörche – genau über der Stelle, wo wir sie mit Herrn Kelm am Morgen leider nicht angetroffen hatten.

Aufregung – wunderschön! Den ganzen Tag genossen wir Rückenwind, den Ausblick vom sich schlängelnden Deich auf viele mit Vögeln besiedelte Buhnen und Auwiesen links, und hübsche Deichhäuser, weite Felder und grüne Teiche mit Krebsscheren rechts. In Klein Schmölen kurz vor Dömitz griff dann doch die Müdigkeit um sich, unter erschöpftem Gekichere erforschten wir -leider im Nieselregen- eine mächtige, große Sanddüne im Inland, ein Überbleibsel einer riesigen ein dynamischen Flusslandschaft vor geraumer Zeit. Mit Kiefern und Silbergras bewachsen ist sie ein Zuhause für viele Arten, die es gerne trocken und heiß mögen, also Libellen, Heuschrecken und Gräser. Nach einer Nacht auf dem bescheidenen Campingplatz von Dömitz lag die Strecke über Rüterberg nach Hitzacker vor uns. Rüterberg ist eines der vielen Dörfer, welche zu der Zeit der DDR mitten im Grenzstreifen lagen und damit so gut wie alle Rechte und jegliche Freiheit verloren. Die Natur dagegen hatten dadurch viel Raum um sich ungestört zu entwickeln, wie die Anwesenheit von seltenen Nelken, Kranichen, sowie artreinen Schwarzpappeln zeigte. Eine mystische alte, mit erfrischendem Wasser gefüllte und geheimnisvoll zugewachsene Tongrube ergänzte das Bild einer zauberhaften Landschaft, die eine Geschichte hat, die man nicht so recht begreifen kann.

Nach Überquerung der großen Dömitzer Brücke, das Symbol der Region für die wiedergewonnene Verbindung zwischen Ost und West, durchquerten wir die Dannenberger Marsch, deren große Feuchtgebiete Heimat für Schwarzstörche und Wiesenvögel sind und scheinbar auch für Ringelnattern, von denen sich eine als Fotomodell für Christoph zeigte… Der Deich mit den satten grünen Wiesen, Heuballen und Elbe im Hintergrund lud dann auch uns zu einem Fotoshooting ein.
Die kleine Insel-Stadt Hitzacker sollte dann für das Wochenende unsere Basis sein. Einen ganzen Vormittag verbrachten wir mit dem Biologen Thomas Baumgarten, der uns alles und mehr über das Schmetterlings-Monitoring-Projekt des Helmholtz-Instituts erzählte und uns in seinem Garten viele Schätze entdecken ließ. Noch mehr Geschichten und noch mehr spannenden Natur erfuhren wir vom ehemaligen Förster Peter Brauer in der Göhrde. Die Göhrde ist ein großes Waldgebiet, mit verschiedensten Habitaten, wie Heide unter uralten Eichen, kooperierende Douglasien, Bäume mit interessanten Frostschäden und duftende Kiefernwälder. Und auf dem Heimweg der untergehenden Sonne entgegen lief uns sogar noch eine Hirschkäferin über den Weg.

Am Sonntag strapazierten wir zur Abwechslung mal andere Muskeln als die unserer Beine: in Kanus paddelten wir die Jeetzel entlang nach Dannenberg, zum Eis-Essen. Begleitet wurden wir von Waldwasserläufern, Blauflügeliger Prachtlibelle, Fischreiher, Pfeilkraut und wunderschönem Sonnenschein …
Ein wenig Wehmut packte uns dann am Montag, als der letzte Fahrtentag anstand, denn unser 4-Mann-1-Frau-Grüppchen hatte sich inzwischen echt gut aneinander gewöhnt.

Mit der Fähre ab Hitzacker ging‘s wieder in den »Osten«, ein letztes Mal den Deich entlang sausen. Langsam wurden die Rotmilane uninteressant, die Störche sowieso und letzten Endes die Kiebitze auch. Umso schöner war dann die lange Mittags – Pause in der Elbaue – inzwischen konnte auch die Hälfte der Gruppe schon Gitarre spielen! 🙂
Nach einer allerletzten Elb-Überquerung kauften wir noch für einen köstlichen Abschlussabend ein und fanden in Klein-Kühren endlich einen Campingplatz direkt in der Elbaue – da, wo sonst die Zone C ist und man sonst die Wege nicht verlassen darf! Mit einem traumhaften Badestrand, leckerem Essen uns langen Gesprächen und neuen Plänen ließen wir eine sehr lustige, freundliche und durch und durch gelungene Tour ausklingen.

Am Bahnhof Göhrde schluckte am nächsten Mittag die »Wendland-Bahn« wieder die Göttinger und ließ sie noch einmal durch das Fenster schauend, bei 60 km/h und lautem Getute an jedem Bahnübergang, weite grüne Wiesen und Wälder genießen.

Bericht: Anna Brauer

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